Einhundert Jahre St. Georgs-Verein zu Vechta: Dieses Jubiläum bedeutet nicht nur, dass ein kirchlicher Verein solange besteht, nein, es spiegelt vielmehr den Einsatz in der Kirche oder bei außerkirchlichen Anlässen vieler gestandener Männer wider.

Nach den Erklärungen des II. Vaticanums sind die Zusammenschlüsse zu Gemeinschaften oder Vereinigungen als verschiedene »Formen des Apostolats von Laien« beschrieben worden. Das von jedem einzelnen übernommene Amt soll überreich aus einem wahrhaft christlichen Leben strömen und ist Ursprung und Voraussetzung jedes Apostolates der Laien, auch des gemeinschaftlichen. Es kann durch nichts ersetzt werden.

In den letzten Wochen fiel mir der Roman eines französischen Schriftstellers in die Hände mit dem Titel »Gott braucht die Menschen«. In diesem Buch ist dargestellt, was vor gut 100 Jahren auf der Insel »Sein« vor der Küste der Bretagne geschehen ist. Der letzte Pfarrer hatte es bei den Inselbewohnern, die meist von der Ausplünderung Schiffbrüchiger lebten, nicht mehr ausgehalten, er war gegangen, seine Arbeit war gescheitert.

Zuerst ging es auf der Insel recht gut ohne Pfarrer. Doch bald werden die Menschen ungeduldig. Es rührt sich wieder das Bedürfnis nach religiösem Leben, sie gehen wieder zur Kirche, sie wollen beten. Zentralfigur dieses Buches ist der Küster Thomas, einer der Ihren, ein ehrenwerter Mann. Man drängt ihn zur Leitung der Gottesdienste, man bittet ihn, die Toten zu begraben und die Kinder zu taufen.

Er weiß, dass er Verbotenes tut, dass er sich ein Amt anmaßt, ihn plagt das Gewissen. Ja, er ist sogar froh, als der zuständige Bischof ihm das Wirken verbietet und einen neuen Pfarrer ernennt. Doch vorher sah er keinen Ausweg aus einer heillosen Situation, weil er verspürte, die Menschen brauchen Gott.

Wie war vergleichsweise die Situation hier in St. Georg vor etwas mehr als hundert Jahren? Die Soldaten waren abgezogen. Die Hellebarden, die eine Ordnungsfunktion in der Stadt, auch in der Kirche übernommen hatten, waren nach Oldenburg abberufen worden. Nur die verhältnis-mäßig schwachen Himmelsdragoner übernahmen diese Dienste. Kirche und Pfarrer standen ziemlich schutzlos da. Pfarrer Brinkmann brauchte aber weitere Hilfe. Sein Einsatz in der St.-Georgsgemeinde entsprach einer Verantwortung für die Menschen.

»Was sollen wir tun?«, fragte man Johannes den Täufer am Jordan. Und dieser rief zur Umkehr auf. Umkehr im Sinne von Gott braucht Menschen aus unseren Reihen, Gemeinde, Familien, Jugend. Pfarrer Brinkmann brauchte nicht wie der Pfarrer auf der Insel »Sein« seine Gemeinde zu verlassen. Nein, 16 Vechtaer Bürger besprachen sich mit ihrem Pfarrer, denn auch sie hatten erkannt, dass es um die Durchführung von Gottesdiensten nicht gut bestellt war. Auch brauchten die Armen in der Stadt dringend Hilfe.

So wurde nach einigen Vorüberlegungen am 15. Mai 1893 der St.-Georgs-Verein zu Vechta gegründet, um vielerlei Aufgaben wahrzunehmen. Die Aufgaben haben sich zwar gewandelt; die Menschen haben sich mit ihrem Wohlfahrtsdenken auch geändert. Eines aber ist geblieben: Die Menschen brauchen Gott und Gott braucht die Menschen.