Leit- Bild Ritter(lichkeit)

-ein Lebens-Modell weltzugewandten Christseins

von Dr. Heinrich Dickerhooff, Katholische Akademie Stapelfeld

0.    Ritter: Geschichtliche Wirklichkeit und geschichts-wirksame Idee

0.1  Historisch waren die Ritter zunächst Panzerreiter, Warlords, Schutzgelderpresser.

0.2  Aber in dieser Kriegerkaste entstand in einem fruchtbaren Dialog mit dem Christentum die Idee des ritterlichen Lebens, dessen Bedeutung größer war als die der                 historischen Ritter und sie weit überlebt hat - bis heute

1.    Der Ritter - der Adlige. Oder: vom selbstbewussten Leben

1.1  Wahrer Adel gründet -das wusste man auch im Mittelalter -nicht in der Geburt, sondern in der Gesinnung, ist nicht Privileg, sondern Verantwortung.

1.2  Christsein ist eine aristokratische, adlige Lebenshaltung.

       Das griechische Wort Christ(os) heißt "Gesalbter", gesalbt wurden damals die Könige. Christ sein heißt wissen, dass jede, jeder (nicht nur die Christen) ein Königskind ist,        das jede, jeder eine unsichtbare Krone trägt.

1.3  In meiner katholischen Kirche wird ein Kind bei der Taufe gesalbt: "Du bist ein Königskind, weil du da bist, vor jeder Leistung!", und wenn ein Mensch mit seiner Kraft am       Ende ist, wird er noch einmal gesalbt: "Du bleibst ein Königskind, wenn deine Kräfte schwinden!"     

1.4  Wir nennen das heute politisch "Menschenwürde" oder psychologisch "Selbst-Respekt", aber das Bild von der Krone und dem Königskind ist uns tief eingebildet.

1.5  Wer seine Krone spürt, sieht die Kronen der Anderen. Wer sich für Dreck hält, sieht ringsum nur Dreck.

2. Der Ritter - der adlige Diener. Oder: von der rechten Demut/Dienstbereitschaft

2.1  Adel verpflichtet: Der Ritter (als Idee) ist weder der Höfling noch der wilde Krieger oder der Söldner. Er ist der Adlige Diener, der sich beherrscht und bewusst in den             Dienst eines Größeren stellt.

2.2  In der Kirche haben wir zwei Gesten bewahrt, die das Wesen der Ritterlichkeit zeigen. Die Kniebeuge drückt aus: ich akzeptiere, es gibt Größeres - aber ich beuge                 meinen Nacken nicht. Demut bedeutet Dienstbereitschaft, aber nicht Unterwürfigkeit. "Ein Ritter beugt die Knie nur vor Gott - und den am (am Boden liegenden)                     Kranken!"              

2.3 Auch die gefalteten Hände waren eine ritterliche Geste: wenn der Ritter die Hände zusammenlegte und der König seine Hände darum legte, dann schlossen sie einen              Bund, traten in eine Vertrauensbeziehung. Der König gab dem Ritter die Lebensgrundlage (das Leben), der Ritter gab seinen Einsatz. So stehen Christen vor Gott: nicht als      Lohnknechte und Plus-Punkte Sammler, sondern mit dem Leben beschenkt und dadurch in den Dienst genommen.

2.4  Der aus dem Rittertum stammende Meister Eckhard hatte das Lebens-Motto: "sunder warumbe", "ohne Warum" - das Leben soll nicht bestimmt sein von der Frage: " was       hab ich davon?" Was sich wirklich lohnt im Leben, kann man nicht vorab kalkulieren, ob es sich lohnt!

3.   Der Ritter - der Reiter. Oder: vom hochgemuten und hochmütigen Leben

3.1  Der Ritter, das zeigt das Wort, war zunächst ein Berittener, ein Reiter. Auf dem Pferd sieht man die Welt und es lebt sich anders, man hat eine höhere weitere Sicht und         ist viel beweglicher.

3.2 Darin liegt freilich, das zeigen die allermeisten Reiterstandbilder, die Gefahr der Überheblichkeit. Da sitzt einer auf hohem Ross und reitet seine Gegner nieder! Und diese        Gefahr von Arroganz und Dominanz liegt im elitären Bewusstsein.

3.3  Ritterlichkeit meint nicht Hochmut, das Gefühl, etwas besseres zu sein und darum das Recht, es besser zu haben. Ritterlichkeit meint ein "hochgemutes Leben", das von         der übernommenen Verantwortung nicht niedergedrückt, sondern getragen und erhoben wird (vgl. den "Bamberger Reiter").

4.   Der Ritter - der Schwert-Träger.Oder: von beherrschender Macht

4.1  Das Schwert, zunächst eine Mordwaffe, wurde zum Sinn-Bild der Ritterlichkeit verliehen, um die Schwachen zu schützen und Gott zu dienen.

4.2  Das Schwert ist auch heute noch - obwohl nicht mehr im Gebrauch- sehr gefühlsbesetzt, und es ist ein Sinn-Bild und eine Erfahrung von Macht.

4.3  Macht ist (wie das Schwert) nicht böse, aber gefährlich. Nur wenn ich mir meiner Macht bewusst bin, kann ich sie kontrolliert für andere nutzen.

4.4  Das Schwert führt man nicht mit dem Arm, sondern mit dem ganzen Körper: nur in dem, bei dem ich ganz dabei bin, bin ich wirklich gut. Und ich kann mit dem Schwert           erproben, entschieden und zugleich beherrscht zu handeln.

4.5  Das Schwert ist zunächst "Hut" Schutz - achte darauf, Distanz zu bewahren. Nicht zu Menschen, aber zum Leben, wenn es dir feindlich erscheint. Lass die Lebensschläge         deine Seele nicht erreichen.

4.6  Ein guter Schwertkämpfer versucht, nie zu parieren, sondern die Initiative zu behalten. Dazu muss ich beweglich sein und bleiben, fähig sein, die Perspektive zu                     wechseln.

5.   Der Ritter - der Drachenkämpfer. Oder: Von Größe und Grenzen mutigen Lebens

5.1  Der Ritter (Georg, Michael) ist auch der Drachenkämpfer, ein uraltes mythisches Bild. Der Drachen, ursprünglich ein Chaos-Bild, steht für die große Herausforderung.

5.2. Es ist wichtig, sich mutig den Großen Lebens-Herausforderungen zu stellen. Weiche nicht zurück. Stell dich. Nutze dein Schwert, deine Begabungen, Stärken, Kräfte. Du         kannst an solchen Herausforderungen wachsen. Zudem gegen einen Drachen zu unterliegen ist keine Schande, große Niederlagen sind oft mehr wert als billige Siege.

5.3  Aber bei allem ritterlichen Mut ist es wichtig, die Grenze ritterlicher Lebensart zu kennen. Auf dem Bogenberg ist der älteste Wallfahrtsort Bayern, weil Maria den                   bayrischen Wald gerettet hat - nicht vor Drachen, sondern vor Borkenkäfern! Und an Borkenkäfern scheitern mehr Menschen als an Drachen. Burn-out bekommt man             nicht durch Drachen, sondern durch Borkenkäfer. Gegen Borkenkäfer hilft kein Schwert - kein Zufall, dass eine weibliche Kraft als Schutz erinnert wird. Die Pieta war           eine der größten Entdeckungen der mittelalterlichen Christenheit: Liebe hält auch Scheitern, Verletzung, Tod aus.

     Wie gut, wenn sich ritterlicher Lebensmut und geduldige Zuwendung zum verletzten Leben verbinden.